Nicht allzu häufig bekomme ich Anfragen zu frühneuzeitlichen Archivalien. Gerade Gerichts- und Prozessakten aus dem 17. oder 18. Jahrhundert können sehr aufschlussreich sein: Über das Leben und Streiten der Menschen, über die großen und kleinen Aufreger. Anstelle von allerlei Nachbarschaftsstreitigkeiten über Weiderechte oder die Wasserentnahme aus Bächen und dergleichen sind Dokumente zur Hexenverfolgung weitaus spannender. Sie verraten etwas über die Lebenswelt in der frühen Neuzeit, über Macht, Suggestion und Denunziation. So ein Aktenfragment (Landesarchiv Schleswig-Holstein Abt.7, Nr. 1758) über die Beschuldigung, Befragung und Verurteilung der Anke Krusen (auch: Ancke Krußen), der Frau eines Schlachters aus der Brunswik (Stadtteil von Kiel).
Das überlieferte Aktenfragment mit der Laufzeit Februar bis März 1638 setzt mit einem „Demutige[n] Gegenbericht“ der Anke Krusen ein. Die ursprüngliche Klage fehlt, doch erschließt sich aus dem Kontext, dass man Anke Krusen beschuldigte, die Frau des Klägers mit einer Krankheit verwunschen zu haben und im Pakt mit einer anderen, bereits verurteilten Hexe, der „Embsche Engell“ gestanden zu haben.
In dem Gegenbericht verteidigt sie sich gegen die Anschuldigungen des Marx Wilden. Zu ihrer
„vorandtwordtungh vndt rettungh meiner vnschuldt, Als die ich
Undatiert, ca. früher Februar 1638
mich solcher mir Zugemeßenen abscheerlichen laster in meiner gewißen
vnschuldigh vndt vnbefleckt wiße vndt befinde, hinwieder vnberichtett nicht laßen“
Unter Verweis auf die Halsgerichtsordnung stritt Krußen die Vorwürfe ab, sie habe die Frau des Klägers mit einer Krankheit verwunschen. Die genannte „Engell Embsche“ habe um ihren Bruder gefreit, doch sie selbst habe der Mutter ins Gewissen geredet, diese Verbindung zu untersagen und eine Heirat zu verhindern. Krusen vermutet, dass Embsche „auß alten Haaß vndt Neidt ohn allen Zweiffell auff mich wirdt haben bekandt“ – das heißt, Krusen selbst der Hexerei beschuldigt zu haben. Zu ihrer Verteidigung verwies Krusen dabei auf eine Schrift des Hexentheoretikers Johann Georg Gödelmann (1559-1611) und Regelungen der Constitutio Criminalis Carolina, woraus sich bei der „Befragung“ der Embsche Verfahrensfehler begeben hätten.
Der Einwand blieb unbeachtet. Ein Urteil vom 15.2.1638 hält nach Anhörung der Klage und Gegenklage nochmals fest, dass die zum „Zum Schreuenborn vorbrandte Zeübersche nahmens Engell Emsche dieselbe außgelechtt vndt offendtlich bekandt, das sie Ihr Ancke Krußen das Zaubern in etwas gelehrett“ habe. Man fasste den Entschluss, dass Anke Krusen zur Wahrheitsfindung „im beysein des Ambtschreibers menschlich weise torq[uier]et werden“ – man wollte sie foltern.

Am 26.2.1638 wurde dann auf menschliche Weise gefoltert und in Gegenwart des Amtsschreibers und zweier Zeugen kam sodann zutage, dass Krusen schon vor 16 Jahren der Zauberin Engell Emsche in ihrem Haus in Neuheikendorf begegnet sei und sie dort „Godt vndt alle[n] heiligen“ abgeschworen habe. Danach habe Emsche der Krusen ihren „Abgodt, mit nahmen Peter, in eines Mannes gestaldt, schwartz gekleidett, mit einem schwartzen Barte“ vorgestellt. Weiter bekannte Krusen, dass sie dem Hans Schneklodten ein schwarzes Kalb vergiftet habe (das Gift, so gab Krusen an, stammte von Emsche).
Die Befrager waren damit allein aber wohl noch nicht zufrieden. Man beendete die Folter und gab ihr Bedenkzeit, um über weitere Hexereien und Untaten nachzudenken und diese zu gestehen. Und Krusen tat ihr bestes, um den Erwartungen ihrer Folterknechte gerecht zu werden: „Als man aber nichts mehr bey der tortur von Ihr erfahren können, Ist Ihr bedengkens Zeidt in etwas gegeben Vndt hatt ohne Pein ferner gudtwilligh nochfolgendes bekandt„:
„Van Ihr Abgodt ist Zu Ihr gekommen, ist ehr in Menschen
Urteil und Bekenntnis v. 26.2.1638
gestaldt gekommen, auch Zu Zeiten in Teufels gestaldt,
Van ehr aber in solcher gestaldt gekommen, hatt ehr gehabtt
einen Kuhefues, so der Linke geweßen.
[…]
Der Sathan ist nicht alle Tage kommen, sondern vmb 8. oder
14 Tage vndt hatt begehret, alzeidt Bößes zu thun, Sie hatt
es aber nicht thun wollen.
[…]
Ihr Abgodt sey im vorgangenen Sommer zu Ihr in Ihrem
Hauße vfft Bette in der Nacht gekommen, vndt gesagett,
das ehr habe, vff Ihre nachweißungh, Marx Wilden
Ochße gefunden vndt denselben dull gemachtt, darnach
habe der Böse Feindt mit Ihr Vnzucht getrieben vndt was
von Ihme kommen, ist Kaldt geweßen.“
Unter dem „mittelste[n] gradt der tortur“ gestand Krusen ihre Kumpanei mit der Zauberin Engell Emsche, ihre Giftmorde an Vieh, ihre Untaten gegenüber Wilden und seiner Frau und ihr sexuelles Verhältnis mit „Peter“. Dass der teuflische „Abgodt Peter“ am Tag vor der Folter „wie eine schwartze Maus, von Ihr gelaufen“ und nicht mehr bei ihr sei, nutze ihr vermutlich. Das weitere Schicksal der Anke Krusen ist aus dem Aktenfragment nicht überliefert, vor ihrer Hinrichtung sollten die Akten an den Herzog eingesandt werden.
Siehe auch: Hexenverfolgung (Kiel-Wiki)